Mythos Otto von Bismarck

Mythos Otto von Bismarck

Die Verehrung des eisernen Kanzlers


Es ist heute nahezu unvorstellbar, dass das Volk (genauer: das Bürgertum) einer politischen Figur solche Ehren widerfahren lässt wie Bismarck nach dessen Entlassung 1890.


Im heutigen Medienzeitalter wird über alle Schwachstellen und Fehlentscheidungen von politischen Entscheidungsträgern umfangreich berichtet. Eine Glorifizierung eines deutschen Politikers in der heutigen Zeit ist undenkbar. Umso erstaunlicher ist das einzigartige Phänomen der Bismarckverehrung Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts.


Auf diesen Webseiten soll nicht auf die Biografie Otto von Bismarcks, sondern auf den Bismarck-Mythos eingegangen werden.


Genauere Ausführungen zum Leben Bismarcks erhält man über die äußerst umfangreiche weiterführende Literatur sowie die Netzseite der Bismarck-Stiftung.

Der Kult um den Reichskanzler

Bismarck-Mythos in Deutschland


Vor über 120 Jahren, am 30. Juli 1898 starb Otto Fürst von Bismarck im Alter von 83 Jahren in Friedrichsruh bei Hamburg. Der langjährige Reichskanzler wurde schon zu Lebzeiten beim Bürgertum zum Mythos und zur nationalen Kultfigur.

Als preußischer Ministerpräsident, als Bundeskanzler [!] im Norddeutschen Bund und als erster Kanzler des 1871 gegründeten Deutschen Reiches gelang ihm die deutsche Nationalstaatsbildung. Er baute das Sozialversicherungssystem auf und erhielt durch vielfältige strategische Abkommen den Frieden in Europa.


Seine vor allem außenpolitischen Erfolge wurden durch innenpolitische Niederlagen überschattet. Zu erwähnen sind das von ihm entworfene Sozialistengesetz von 1878, welches den Behörden die Möglichkeit gab, Rechte der Sozialdemokraten durch Versammlungsverbot, Beschlagnahme von Druckerzeugnissen usw. einzuschränken. Da er die Aufgaben von Staat und Kirche schärfer trennen wollte, führte er über erlassene Gesetze und Verordnungen einen langwierigen "Kulturkampf" gegen die katholische Kirche. Doch diese innenpolitischen Niederlagen hatten keinen Einfluss auf den beginnenden Bismarckkult, insbesondere beim Bürgertum.


Nach der Absetzung im Jahre 1890 durch den imperialistischen Kaiser Wilhelm II., dessen politischer Kurs auch zum Beginn des Ersten Weltkrieges beitrug, wurde insbesondere vom deutschen Bürgertum dem Mann gedankt, der für den Zusammenschluss der norddeutschen und süddeutschen Staaten verantwortlich war, dem Schmied und Baumeister des Deutschen Reiches, Otto Fürst von Bismarck.


An seinem 80. Geburtstag im Jahre 1895 erhielt Bismarck 378 Ehrenbürgerschaften verliehen. Nach seinem Tod steigerte sich die Verehrung in einen nahezu religiösen Kult, der gleichzeitig aber auch Ausdruck nationaler Überheblichkeit war.

Dadurch setzte im Deutschen Reich ein Denkmalaufschwung ein. Die Bismarck-Ehrungen erfassten nicht nur Bismarck-Denkmäler (240 Bismarcktürme und über 700 weitere Bismarckehrungen wie Standbilder, Bismarcksteine, Bismarckbrunnen usw.), sondern auch ganze Ortschaften (Bismarckhütte in Oberschlesien), Ortsteile (Gelsenkirchen-Bismarck) und Inselgruppen (Bismarck-Archipel, heute: Papua-Neuguinea) in den deutschen Kolonien. Im Harz gibt es einen Bismarck-Tunnel, es gibt Bismarck-Höhen, Bismarckfelsen, Bismarck-Gruben usw.


Auch andere Bereiche wie Nahrungs- und Genussmittel (Bismarck-Heringe, Bismarck-Zigarren, Bismarck-Äpfel, Bismarck-Gurken, Biskuitrolle Bismarckeiche) und Natur (Bismarck-Sonnenblumen, Bismarck-Eiche, Bismarck-Linde) blieben nicht vom Bismarck-Kult verschont.


Weiterhin wurden über 300 Bismarck-Vereine gegründet, die u.a. die Errichtung von Bismarck-Denkmälern und -türmen anregten. Finanziert wurden diese Projekte durch Spendensammlungen und durch Feste und Veranstaltungen. Von den über 410 geplanten Bismarcktürmen wurden u.a. aufgrund des 1914 einsetzenden Ersten Weltkrieges "nur" 240 Türme verwirklicht.


Eine umfassende und sehr empfehlenswerte Examensarbeit (als PDF-Datei, ca. 1,2 MB) über den Bismarck-Mythos (Universität Bielefeld, Fakultät für Geschichtswissenschaften und Philosophie) kann über den Verfasser Thomas Gräfe (E-Mail: tgraefe77 (at) yahoo.de) oder über den Webmaster kostenlos per Email angefordert werden.


Kleine Bildauswahl Otto von Bismarck

Ansichtskartenmotiv 100. Geburtstag im Jahr 1915

Ansichtskartenmotv Bismarckwappen

Ansichtskartenmotiv Otto von Bismarck (1877)

Ansichtskartenmotiv "Der Alte vom Sachsenwald"


Kleine Bildauswahl Bismarck-Verehrung

Wallfahrt der deutschen Studenten zum Wohnsitz von Otto von Bismarck in Friedrichsruh am 01.04.1895

AK-Motiv zum 80. Geburtstag von Otto von Bismarck

AK-Motiv "Bismarck als Schmied des Deutschen Reiches"

AK-Motiv 1898 "Bismarck! - Wann kommst Du wieder?"

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